Gedanken zur baulichen Barrierefreiheit

Barrierefreiheit und Inklusion sind Wörter, die gerne in den Mund genommen werden, wenn es um Behinderung und Maßnahmen für Menschen mit Behinderungen geht. Verfolgt man die Gespräche über diese Themen bereits über einen längeren Zeitraum, kann allerdings der Eindruck entstehen, dass die tatsächliche Umsetzung dieser Wörter in der Realität nicht mit der Häufigkeit ihrer Verwendung Schritt hält.

In der Praxis scheitern inklusive Bemühungen häufig bereits an irgendeiner Form fehlender oder ungenügender Barrierefreiheit. Da Bemühungen um Inklusion und barrierefreie Maßnahmen Hand in Hand gehen müssen, ist die Frage zulässig, wieso Entwicklungen im Bereich der Barrierefreiheit trotz der rechtlichen Verpflichtungen Österreichs zur Barrierefreiheit scheinbar so langsam vonstatten gehen beziehungsweise scheinbar kein Interesse besteht, barrierefreie Maßnahmen im öffentlichen und kulturellen Raum und in der Arbeitswelt zu setzen.

Einer der Gründe hierfür könnte der Umstand sein, dass viele Menschen ohne Behinderungen aufgrund mangelnden Kontakts mit den Betroffenen kein Verständnis für Barrierefreiheit entwickeln konnten. Der mangelnde Kontakt ist wiederum unter anderem auf ebenjene fehlende Barrierefreiheit zurückzuführen, sowohl auf baulicher Ebene als auch in den Bereichen der Kommunikation und der Informationsvermittlung.

Die vielfältigen Barrieren des Alltags in allen genannten Bereichen werden Menschen ohne Behinderungen in vielen Fällen erst durch die praxisnahe Bewusstmachung für Behinderungen ersichtlich. Das Verständnis für Behinderung auf den verschiedenen Ebenen im Alltag muss also entwickelt werden, um dann einmal ernsthafte Versuche zum Abbau von Barrieren zu unternehmen und im Zuge des Bemühens Erfahrungen mit diesem Thema zu sammeln.

Gerade aus diesem Grund ist die Wichtigkeit zu betonen, Menschen mit Behinderungen verstärkt in die Planung baulicher und informationstechnischer Maßnahmen miteinzubeziehen. Dies ist aus diesem Grunde wichtig, da es bei Barrierefreiheit um viele kleine (behinderungsspezifische) individuelle Details geht, die Menschen ohne Behinderungen aufgrund mangelnder Erfahrungen mit Barrieren nicht ersichtlich sind. Strategien zur Sensibilisierung für Behinderungen können ihre Wirkung am stärksten entfalten, wenn ein Austausch auf gleicher Ebene zwischen Menschen mit und ohne Behinderungen stattfindet. Letztendlich sollte ein Bewusstsein dafür entstehen, dass eine Behinderung mehr darstellt als die Benützung eines Rollstuhles oder eine schwere Seh- und Hörbeeinträchtigung. Behinderungen umfassen verschiedenste Formen körperlicher und nicht-körperlicher Behinderungen, für die individuelle inklusive Vorgehensweisen notwendig sind.

Baulich gedacht sollte zuallererst nicht nur sicher gestellt werden, dass Gebäude tatsächlich mit möglichst geringer Anstrengung betreten und verlassen werden können, sondern es auch tatsächlich möglich ist, sich ungehindert in den Gebäuden bewegen zu können. Hierfür muss das Bewusstsein für die räumliche Anforderung an Rollstühlen und sonstigen Bewegungsunterstützungen gegeben sein und für die verschiedensten Anforderungen an die möglichst ungehinderte Bewegung mit diesen.

Hinsichtlich der Informationsvermittlung bei nicht körperlichen Behinderungen ist neben der Untertitelung von Videos für Menschen mit Hörbeeinträchtigungen und auf die Möglichkeit, Texte vorlesen zu lassen für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen auf die Wichtigkeit hinzuweisen, Informationen in leichter Sprache für Menschen mit Lernschwierigkeiten anzubieten. Beide Strategien wurden in den letzten Jahren erfreulicherweise schrittweise ausgebaut. Eine umfassende Zusammenarbeit von Menschen mit und ohne Behinderungen sollte im Idealfall folgende Punkte umfassen:

 

  1. 1. Auf der grundsätzlichen Ebene der Kommunikation sollten Menschen mit Behinderungen dermaßen in Entscheidungs- und Mitspracheprozesse jeglicher Art miteinbezogen werden, dass diese das Gefühl erhalten, ernst genommen und tatsächlich aktiv Prozesse mitgestalten zu können. Dieser Punkt ist besonders wichtig angesichts des bekannten Umstandes, dass Menschen mit Behinderungen bei Entscheidungsprozessen zwar dabei sind und Zeit bekommen, Kommentare abzugeben, dies jedoch oftmals als Alibi-Maßnahme zur Erfüllung gesetzlicher Regelungen wahrgenommen wird. In vielen Fällen der Vergangenheit waren Betroffene bei letztendlichen Beschlüssen nicht eingebunden und ihre Beiträge wurden nicht anerkannt.
  2. In gesundheitlicher Hinsicht ist die jeweils angemessene psychische und körperliche gesundheitliche Versorgung von Menschen mit Behinderungen zu nennen. Menschen mit Behinderungen sind sowohl aufgrund ihrer Behinderung als auch ihrer individuellen Erfahrungen psychischen Belastungen ausgesetzt, die spezielle Aufmerksamkeit erfordern. Aufgrund dessen ist es in erster Hinsicht wichtig, eine verständliche Kommunikation bei ärztlichen Terminen sicherzustellen. Über den medizinischen Bereich hinaus gilt dies für alle Situationen, die für Menschen eine besondere Belastung darstellen, etwa Besuche bei Ämtern und Behörden.

 

Insgesamt kann gesagt werden, dass der Prozess der Inklusion und der Entwicklung von Strategien der barrierefreien Gestaltung der Gesellschaft die Bereitschaft zur ernsthaften Kommunikation und zum ernsthaften Verständnis der Menschen voraussetzt. Dies setzt eine Arbeitsleistung voraus, die weit über die bloße Auseinandersetzung mit Theorien hinausgeht.